Berginnenwelten - Höhlen und Azabacheminen

Die Höhlenwelten der Sierra del Sueve

Schon vor mehr als einer Million Jahren waren Höhlen in Nordspanien von Menschen bewohnt. Nach dem Homo erectus kamen Neandertaler hierher. Vor etwa 420.000 Jahren lebten sie in Höhlen der Sierra de Atapuerca, in der heutigen Provinz Burgos.

 

In den Höhlen rund um den Monte Sueve wohnten Menschen nachweislich seit über 100.000 Jahren, vielleicht auch schon wesentlich früher.

 

In der Cueva Sidrón (im Dorf Vallobal, Gemeinde Piloña) am Monte Sueve sind fossilisierte Skelette und andere Zeugnisse aus der Spätzeit der Neandertaler gefunden worden. Aufmerksamkeit erlangte die Höhle durch DNA-Analysen der Knochen, wodurch neue Erkenntnisse über die soziale Lebenswelt vor etwa 49.000 Jahren gewonnen werden konnten.

 

Die Menschen der Cueva Sidrón lebten in einer waldreichen Landschaft. Die Analyse der Mundflora eines Neandertalers der Höhle ergab, dass er sich vegetarisch oder vegan ernährte und sich mit der Anwendung von Schmerzmitteln und Antibiotika gut auskannte. Im Zahnstein der Höhlenbewohner fanden Forscher DNA-Spuren, aus denen sie die Essgewohnheiten ermitteln konnten. Zu ihrem Speiseplan gehörten Pflanzen und Früchte des Waldes am Monte Sueve, darunter Kiefernsamen, Moose, Pilze, Baumrinde und die Triebe, Blätter und Rinde von Balsampappeln, die Salicin enthalten. Das ist der Grundstoff des heutigen Aspirin. Den penicillin-ähnlichen Pilz „Penicillium“ nutzten die Höhlenbewohner als Antibiotika.

 

Nicht alle Neandertaler waren Vegetarier. Das zeigen die Knochenritzungen auf Knochen der Neandertaler aus der Sidrón-Höhle sehr deutlich: Sie wurden von anderen Neandertalern verspeist. Mehr als 2100 Knochenfragmente fanden sich auf wenigen Quadratmetern. Sie stammen von einer Gruppe von mindestens 13 Neandertalern, die zum Teil untereinander verwandt waren. 8 von ihnen gehörten der selben Familienlinie an. Die DNA-Analyse der Knochen hat mit dazu beigetragen, dass im Jahre 2010 das Neandertaler-Genom entschlüsselt werden konnte.

 

Die letzten Neandertaler lebten auf der Iberischen Halbinsel vor rund 38.000 Jahren. Das war zu einer Zeit, als auch die ersten „modern“ genannten Menschen sich auf den Weg nach Hispanien machten. Seit sich Neandertaler und die heute lebenden Menschen vor rund 600.000 Jahren stammesgeschichtlich getrennt hatten, kam es zu Vermischungen und gemeinsamen Nachkommen. Daher sind die Neandertaler eigentlich auch nicht ausgestorben, sondern in uns aufgegangen, was der DNA-Anteil von Neandertalern in heute lebenden Menschen zeigt.

Die Höhlenmenschen und Nachtflieger der Cueva Rosa

Der Sierra de las Coronas entlang, in Richtung Ribadesella, gelangt man zu einem Hügel in der Nähe des Ortes Calabrez. Hier verbirgt sich auf einer geschützten Fläche von 127 Hektar das nicht öffentlich zugängliche Höhlensystem der Cueva Rosa.

 

Diese außerordentlich interessante Höhle beheimatet neben archäologischen Schätzen und Höhlenmalereien auch eine einzigartige Höhlenfauna. Hier wurden eine Reihe von neuen Käfer- und Insektenarten entdeckt. Das über 3,5km verzweigte Höhlensystem Cueva Rosa gilt insbesondere als eines der artenreichsten Refugien für Fledermäuse.

 

Noch vor einigen Jahren konnte man nach Einbruch der Dunkelheit eine Fülle von Fledermäusen entlang der Sierra de las Coronas beobachten. Ihr Bestand geht nun deutlich zurück, doch noch gibt es einige dieser faszinierenden Geschöpfe. Sie benötigen Höhlen und die hohlen Baumstämme in den Auenwäldern. Davon gibt es fast keine mehr. Die Monetarisierung der Region hat stets Vorrang vor den letzten Riesenfledermäusen Europas.

 

Mein Schwiegervater, der einen Auenwaldrest mit alten Baumriesen vor der Plantagenbepflanzung gerettet hat, erzählte mir, dass manchmal riesige vampirartige Fledermäuse über die Weiden flatterten und dass sie früher häufig zu sehen gewesen seien. Es könnte sich dabei um die größte in Europa vorkommende Fledermausart handeln, den Riesenabendsegler (Nyctalus lasiopterus) oder das Große Mausohr (Myotis myotis). Diese Fledermäuse haben eine Spannweite von bis zu einem halben Meter. Sie sind oder waren in der Sierra de las Coronas zuhause.

 

Zu den in der Sierra de las Coronas vorkommenden Fledermausarten gehören: Rhinolophus hipposideros (Kleine Hufeisennase), Rhinolophus ferrumequinum (Große Hufeisennase), Rhinolophus euryale (Mittelmeer-Hufeisennase), Miniopterus schreibersi (Langflügelfledermaus), Myotis emarginatus (Wimperfledermaus), Myotis myotis (Großes Mausohr). Vielleicht auch noch die Arten Nyctalus noctula (Großer Abendsegler) und Nyctalus lasiopterus (Riesenabendsegler), wenn sie hier inzwischen nicht bereits ausgestorben sind.

 

Die Höhle Cueva Rosa ist auch eine bedeutende Fundstätte für Gegenstände, die von Menschen benutzt wurden, die im Jungpaläolithikum in der Sierra de las Coronas gelebt haben. Das Solutréen (Solutrense) ist eine archäologische Kultur des Jungpaläolithikums vor etwa 22.000 bis 18.000 Jahren und das Magdalénien (Magdaleniense) vor etwa 18.000 bis 12.000 Jahren. Beide sind in der Cueva Rosa und anderen Höhlen der Sierra de las Coronas und seiner Ausläufer bis zum Meer archäologisch bereits so gut erforscht, dass die Lebensgewohnheiten und die Lebensbedingungen der Menschen, die damals hier lebten, heute skizzenhaft nachvollzogen werden können.


In dem kühl-feuchten Klima mit Wiesen- und Waldlandschaften wurden Hirsche und Kleintiere gejagt. Fische, Muscheln und Schnecken gehörten zu den Speisen der Menschen während der Magdaleniense-Zeit. Unter den Pflanzenresten fanden die Forscher in der Cueva Rosa vor allem Belege für die Pflanzenfamilie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae oder Leguminosae). Auch heute noch gehören Hülsenfrüchte zu den traditionellen Speisen in den Dörfern ringsum, wie die Fabada Asturiana.


Der kulturelle und materielle Austausch mit Menschen, die in den angrenzenden östlichen kantabrischen Regionen und im Südwesten Frankreichs lebten, konnte u.a. durch die Verwendung von Feuersteinen aus diesen entfernten Gebieten abgeleitet werden.

 

Auch in anderen Höhlen der Sierra de las Coronas sind prähistorische Steinwerkzeuge gefunden worden. Weitere Höhlen mit steinzeitlichen archäologischen Funden in der Region des Monte Sueve sind u.a.: Cuevas de Obaya (Gobiendes), Cueva Taraxu (Nozaleda), Cueva El Molino (Libardón).

Die Höhlenmaler der Cueva Tito Bustillo

Zu den bedeutendsten Funden prähistorischer Kunst in Europa gehören neben Altamira in Kantabrien die Höhlenmalereien der Cueva Tito Bustillo in Ribadesella. Die Höhle ist UNESCO Welterbe. Tief in den verzweigten Höhlensystemen im Berginnern sind die tempelartigen Galerien Zeugen einer Zeit vor bis zu etwa 35.000 Jahren. In der nahen kantabrischen Höhle El Castillo wurden die frühen Zeugnisse der Höhlenkunst auf etwa 41.000 Jahre datiert und in der benachbarten Höhle La Pasiega sogar auf 64.000 Jahre. Der Beginn der überaus faszinierenden Höhlenmalerei fällt also in die Zeit der Neandertaler und auch in die Zeit, in denen Neandertaler und moderne Menschen dort wohl zeitgleich lebten. 

 

In den Höhlen Asturiens und Kantabriens hinterließen einige der Höhlenmenschen die Abdrücke ihrer Hände, die uns scheinbar über die Jahrtausende hinweg heute ihre Hand reichen - es könnten unsere Ahnen sein. Die Hände wurden zumeist in roter Farbe von der Person selbst aufgetragen, die ihre Hand auf der Höhlenwand verewigen wollte.

 

Die jüngsten Höhlenbilder der Cueva Tito Bustillo stammen vom Ende der letzten Eiszeit vor etwa 11.000 Jahren. Zu dieser Zeit machten sich die Nachfahren der Höhlenbewohner auf die Reise in das nun weitgehend eisfreie Mittel-, Ost- und Nordeuropa. 

 

Die Höhlen des Sueve und die kunstvoll gestalteten Höhlen von Ribadesella strahlen auch heute noch ihre zeitlose Kraft aus. Im multimedialen Infozentrum Centro de Arte Rupestre de Tito Bustillo wird diese Kraft erlebbar. Der Zugang zur Originalhöhle ist beschränkt. Wer die Höhlenmalereien in der Cueva Tito Bustillo erleben möchte, der sollte in den Sommermonaten frühzeitig eine Reservierung vornehmen.

 

David Lewis-Williams, Professor für kognitive Archäologie, ist davon überzeugt, dass die Malereien in magisch-religiösen Zeremonien für die Kommunikation mit den Göttern Verwendung fanden. Es handelt sich demnach um eine Form des prähistorischen Schamanismus. (Lewis-Williams, D.J. and Pearce, D.G., Inside the Neolithic Mind: Consciousness, Cosmos, and the Realm of the Gods. Thames & Hudson, London, 2005)

 

Damit offenbarten sich die Höhlenmaler als Menschen mit Kultur, Religion und Seele. Die Malereien sind nach Ansicht des Forschers zum Teil Abbild einer Parallelwelt, die in schamanischer Trance zugänglich wird. Untersuchungen der Bewusstseinsforschung zeigen, dass es sich bei vielen Motiven der Höhlenmaler um eine archetypische Symbolik handelt, die in tiefer Meditation oder in Hypnose auch heute von Menschen erfahren wird.

Der Schutz- und Heilstein Azabache

Azabache (dts. Gagat, engl. Jet) ist in Asturien aus einer Baumart entstanden, die vor 65 bis 200 Millionen Jahren verbreitet war. Es handelt sich um versteinerte und brillant glänzende Kohle.

 

Der Prozess der Entstehung des Azabache ist noch nicht genau bekannt. Aus einem einzigen Baumstamm mit einer Länge von 10 bis 20 Metern hat sich im Laufe der Jahrmillionen zum Teil Kohle und zum Teil Azabache entwickelt.

 

In seiner besten Qualität findet man Azabache an einem Küstenstreifen in der Nähe von Villaviciosa am Fuße der Sierra del Sueve. Hier fanden sich die weltweit größten Abbaugebiete. Heute sind die Azabacheminen in Asturien weitgehend geschlossen, da die Nachfrage nach diesem Mineral nicht so groß ist, dass sich der Abbau noch lohnen würde. Doch in jüngster Zeit scheint sich dies zu ändern. Die Wiederentdeckung der energetischen Wirkung des Azabache, seine Funktion als Schutz- und Heilstein, erlangt zunehmende Aufmerksamkeit.

 

Bereits in prähistorischer Zeit wurde Azabache verarbeitet. In der Bronzezeit wurden daraus Ornamente hergestellt. Bereits von Aristoteles und von den Römern wurde die besondere Wirkung des Azabache beschrieben. Naturvölker in aller Welt kannten die Wirkung des Azabache.

 

Tomás Noval Barredo

Der vorläufig letzte professionell arbeitende Azabache-Bergmann Asturiens war Tomás Noval Barredo (1921-2008). In einem Gespräch mit dem Autor berichtete er aus seinem erfüllten Leben.

 

Tomás stammt aus einer asturischen Familie, die sich seit Generationen dem Abbau und der Verarbeitung von Azabache widmete.

 

In dem Wald zwischen der Ortschaft Oles und der Meeresküste befindet sich die Azabachemine von Tomás Noval Barredo. Die Mine führt zunächst 80 Meter in den Berg unterhalb der Ortschaft Oles.

Dort beginnt ein weit verzweigtes unterirdisches Labyrinth von Gängen, in denen er Azabache auf traditionell handwerkliche Weise abbaute.

 

Tomás schwörte auf die Wirkungen des Azabache. Eine Reihe von Menschen, denen Tomás Azabachesteine geschenkt hatte, berichteten ihm von außerordentlichen glücklichen "Zufällen", die sie der Wirkung des Azabache zuschrieben. Tomás war davon überzeugt, dass Azabache ein Glücksstein ist, der darüber hinaus eine starke Wirkung auf die Erhaltung der Sehkraft ausübt. Tomás hat dies selber erfahren. Im hohen Alter verfügte er noch über eine starke Sehkraft. Er öffnete ein altes Buch, indem er die Stelle hervorhob, wo Aristoteles zitiert wird. Bereits Aristoteles hatte darin auf die Wirkung von Azabache bei Augenleiden hingewiesen.

 

Das Haus von Tomás Noval glich einem kleinen Azabachemuseum. In altem Zeitungspapier eingewickelt präsentierte Tomás seine schönsten Kunstwerke aus Azabache. Darunter auch eines seiner ganz besonderen Sammelobjekte: ein Teil des Drainagesystems einer römischen Azabachemine, die ganz in der Nähe seiner eigenen Mine existierte.

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© Ralf Pochadt